Zweiter Weltkrieg
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Der Zweite Weltkrieg
1939 brach der Zweite Weltkrieg aus und wieder wurden die wehrfähigen Männer nach und nach eingezogen.
Das Leben im Krieg war auch für die Daheimgebliebenen nicht einfach. Mit Beginn des Luftkrieges mußte jeden Abend verdunkelt werden. Jagdflugzeuge beängstigten durch ihren niedrigen Flug in unregelmäßigen Abständen die Bevölkerung, das alarmierende Sirenengeheul hieß allen, sich in die Keller zu flüchten. Man versuchte zu vermeiden, von den feindlichen Flugzeugen bei der Arbeit auf dem ungeschützten Feld überrascht zu werden, weshalb man es vorzog, sein Tagwerk schon „in aller Herrgottsfrühe" zu beginnen. Vereinzelt fielen Schüsse. Mehrere Bomben detonierten in der alten Donau. Eine Frau, die vom Fliegeralarm gewarnt, ihre Feldarbeit verließ, fand ihre in der Eile liegengelassene rote Weste später von Schüssen durchlöchert wieder. Einige Genderkinger werden sich noch an das abgeworfene Flugblatt erinnern mit der Aufschrift: „Wir sind die lustigen Acht und kommen bei Tag und bei Nacht!"
Im Dorf waren viele Fremdarbeiter und Gefangene, darunter Franzosen, Polen und Serben, die vor allem auf den Höfen den Bäuerinnen zur Hand gehen mußten. Zum Schlafen waren sie z. B. in den Sälen der Gasthäuser „Zoll" und „Schilke" untergebracht. Zu den Ausländern bestand im allgemeinen ein gutes Verhältnis, so daß es zu keinen ernsthaften Zwischenfällen kam. Zu einigen hielt sich der Kontakt über das Kriegsende hinaus. Ein Serbe fand in Genderkingen sogar eine neue Heimat.
In den Kriegsjahren verschlechterte sich der Lebensstandard drastisch. Vorrang hatte die Versorgung der deutschen Soldaten, weshalb man für die Zivilbevölkerung den Erwerb von Verbrauchsgütern stark einschränkte und mit Hilfe von Bezugsscheinen streng regelte. Lebensmittel, Seife, Schuhe, Kleider, etc. gab es fortan nur noch auf Marken. Diese wurden aber so knapp zugeteilt, daß man damit allein den Lebensunterhalt kaum bestreiten konnte.
Auf dem Land konnte man sich noch über die Runden helfen. Man braute Kaffee aus Gerste und kochte Zuckerrüben zu Sirup. Sogar Mohn und Tabak wurden angepflanzt, so daß man weitgehend autark war. Streng rationiert war Fleisch; eine Hausschlachtung mußte vorher genehmigt werden, wobei das Gewicht des Schweines nur den Mindestbedarf pro Person im Haushalt decken durfte. So wurden die ausgeklügelsten Methoden des „Schwarz-Schlachtens" entwickelt, wobei nicht einmal der Nachbar etwas bemerken durfte. Ein geschickter Metzger erdrosselte ein Schwein, bevor es auch nur den ersten Laut von sich geben konnte.
Schlecht erging es den Bewohnern der Städte. In ihrer Not waren sie gezwungen, zum „Hamstern" aufs Land zu gehen. Beinahe täglich zogen sie von Haustür zu Haustür und bettelten um ein Ei oder einen Löffel voll Schmalz. Viele tauschten ihre letzte Habe gegen ein bißchen was zu essen.
Wie groß der Schmerz war, als die Frauen Nachricht vom Soldatentod ihrer Männer oder Söhne erhielten, kann nur schwerlich nachvollzogen werden. Zu Beginn der Kriegszeit wurde eine Todesnachricht vom Ortsgruppenleiter überbracht, dazu bekam man eine Ausgabe von Hitlers „Mein Kampf". Später mußte man die erschütternde Botschaft einem nüchternen Schreiben entnehmen. Kaum ein Haus in Genderkingen blieb ohne Trauer.
Kriegsende: Die Amis kommen
Das Ende des Krieges kündigte sich im April 1945 durch die anrückenden Amerikaner an. Schon Tage vor ihrem Einmarsch in Genderkingen hörte man sie schießen; ein bedrohendes Grollen, das auch die Nächte über andauerte. Man flüchtete sich in die Keller und richtete dort, so gut es ging, Schlaf- und Überlebensplätze für ganze Familien ein. Neben den eigenen Angehörigen waren ja in vielen Häusern auch „Ausgebombte" aus den Städten untergebracht. Ein verwirrter junger Soldat erschoß sich, als er hörte, daß die Amis kämen. Erschreckend anzusehen war in diesen Tagen, wie eine deutsche Strafkompanie durch das Dorf geführt wurde. Kurzzeitig waren die gefesselten Soldaten, zu deren Verpflegung man Kartoffeln kochen mußte, in einem Zaun hinter dem alten Feuerwehrhaus eingesperrt.
In der Nacht vom 25. auf den 26. April war es soweit: Auf dem Anwesen des Sebastian Wagner (heute Gstaadweg 5) wurden drei Scheunen in Brand geschossen. Die Holzhütte der Familie Mitschke (Schloßstr. 9) fing ebenso Feuer. Ein Löschen des Brandes wäre zu gefährlich gewesen. Eine Granate schlug im Anwesen der Familie Förg (heute Bairlein, Hauptstr. 35) ein, wobei der Familienvater durch die einstürzende Mauer des angrenzenden Nachbaranwesens zu Tode kam. Eine weitere Granate durchschlug das Haus und blieb zuckerhutförmig im Betonpflaster des Hauseingangs stecken, Gott sei Dank ohne zu detonieren. Ein Opfer des Krieges wurde in diesen Tagen auch der elfjährige Franz Strobl (Kirchplatz 5), dem ein Blick aus der Haustüre das Leben kostete. Durch einen Granatsplitter wurde er so schwer verletzt, daß er bald nach der Operation in Rain verstarb.
Schließlich sah man die feindlichen Soldaten kommen. Nahe der Schäfstaller Brücke, die gesprengt war, und bei der Fähre beim Bayertomhof setzten sie über die Donau. Hell- und dunkelhäutige Amerikaner marschierten, das Gewehr im Anschlag, durch Genderkingen, gefolgt von einer enormen Anzahl an Panzern, die sich auf alle Höfe verteilten. Zum ersten Mal sah man „Neger" aus der Nähe. Die amerikanischen Soldaten durchsuchten alles, selbst die Heu- und Strohstöcke durchstießen sie, um festzustellen, ob sich vielleicht ein „Nazi" versteckt hielt. Dann quartierten sie sich in den einzelnen Häusern ein. Etwa acht Tage lang war es ein ständiges Kommen und Gehen, währenddessen man die Keller kaum verließ. Zur Versorgung des Viehs, zum Kochen und dergleichen durfte man hochkommen. Als die Amerikaner abzogen, ließen sie einiges „mitgehen", wie z.B. Daunendecken, mit denen sie die Panzer auspolsterten, Pelzmäntel, Lederjacken, Schmuck, Kaffeeservices und vieles mehr. Am Abend des 26.4.1945 berichtete der Oberbefehlshaber West dem Luftflottenkommando in seiner Tagesmeldung zur Erdlage: „Genderkingen vom Feind genommen".[1]
Heimkehrer und Vertriebene
Unvorstellbar groß war die Freude, als noch Jahre nach Kriegsende der in Gefangenschaft geratene Ehemann, Vater oder Sohn endlich nach Hause kam. Die letzten Spätheimkehrer wurden festlich empfangen.
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Juli 1955: Willibald Sieber kehrt aus polnischer Gefangenschaft zurück. Hier beim Empfang durch die Gemeinde.Links: Max Greif, Bgm. A.Voag, W. Sieber, ein Vertreter des Heimkehrerverbandes, N. Müller, 0. Knorr, unbekannt, Maria Greif Rechts: unbekannt, Pfarrer Jaumann, Amalie Sieber (Mutter), ein Vertreter des Heimkehrerverbandes, L. Saur, unbekannt, Emilie Knorr
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Josef Heitz mit seiner Mutter. 10 Jahre mußte er im Gefangenenlager im tschechischen Joachims-thal verbringen und dort in einem Uranbergwerk arbeiten. Im Herbst 1955 kehrte er heim und verstarb 48jährig 1974.
Nach Kriegsende brach ein nie dagewesener Flüchtlings- und Vertriebenenstrom über ganz Bayern herein. Mehr als 500 Heimatvertriebene – der Großteil aus dem Sudetenland, ein kleiner Teil aus Schlesien und Pommern – kamen in unser Dorf auf der Suche nach dringend benötigter Unterkunft. Von Durchgangslagern aus „aufs Land" verteilt, wurden sie mit Autos gruppenweise hergebracht. Alles, außer einem Koffer voll Habe, hatten sie in ihrer Heimat zurücklassen müssen. Es war keine leichte Aufgabe für Bürgermeister und Dorfbewohner, eine derart hohe Anzahl von Menschen in die ohnehin knappen Behausungen aufzunehmen. Die Anzahl der Einwohner von Genderkingen stieg sprunghaft von 690 auf 1264 (!). Viele „Flüchtlingsfamilien" mußten aus Platzmangel getrennt voneinander untergebracht werden. Um einen minimalen Lebenstandard bestreiten zu können, arbeiteten sie bei den Landwirten mit. Im Gemeindegrundstück an der Lechgasse stellte man ihnen Schrebergärten zur Verfügung. Ein Teil der Vertriebenen wanderte bald wieder ab, viele aber fanden dauerhaft Arbeit, konnten sich ansässig machen und hier ihr eigenes Zuhause gründen. Von der Gemeinde wurden dafür nach und nach Bauplätze ausgewiesen, wie z. B. in der heutigen Lechstraße und im Gebiet „Wertach". Zwischen Vertriebenen und Dorfbewohnern herrschte gegenseitiges Verständnis, so daß sich bis heute ein gutes Verhältnis, ja sogar eine völlige Integration in die Dorfgemeinschaft entwickelte, eine Tatsache, die das Unrecht, das diesen vom Krieg so hart getroffenen Menschen widerfuhr, nur mildern, niemals jedoch wiedergutmachen kann.
Quellen/Weblinks
- ↑ Richard Wagner, Das Ende am Lech, Schwabmünchen 1975, S. 36
Die deutschsprachige Wikipedia zum Thema „Zweiter Weltkrieg”