Pfarrer Bieger und die Kirchenmusik in Genderkingen

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Auf Pfarrer Ignaz Scheitle folgte nach einer kurzen Amtszeit von Pfarrer Josef Lutzenberger (1863 – 1865) Pfarrer Franz Becherer (1865 – 1869). Mit seiner Beschreibung der Situation der Kirchenmusik in Genderkingen zu seinem Amtsantritt, kennzeichnet er eine für ihn wenig zufriedenstellende und schwierige Situation. Er schreibt in seinem Erfassungsbogen anlässlich der bevorstehenden Visitation 1866 in Punkt 4: „ad 4) vorgefunden: a) den Organisten b) eine alte Sängerin und c) einen Violinisten schon auf die Choralmusik miserabel. – Nun wird unerbittlich gedrungen: I. auf den liturgischen Chorgesang in festis / …..: II. dann hauptsächlich auf Volksgesang ganz nach „laudate“, III. endlich auf, wenn möglich, figurirten Gesang; und geht jetzt schon bezüglich I. und II. zur Zufriedenheit, aber keineswegs durch die Verdienste des Lehrers allein.“

Bezug nimmt Pfarrer Becherer hier auf den Lehrer Georg Niedermaier und – wiewohl er sachlich begründet geurteilt haben mag - zeigt er mit dieser sehr nüchternen Analyse der Situation gleichzeitig auch schon ein nicht unerhebliches Konfliktpotential auf, das wohl in seinem Charakter begründet lag. Auf Lehrer Niedermaier folgte 1866 Lehrer Vinzenz Wolff, mit dem es, dokumentiert durch seine Beurteilung von 1868 sehr bald zu heftigen Auseinandersetzungen und Beschuldigungen kommt. Über Lehrer Wolff schreibt Pfarrer Becherer im Abschnitt „1. Urtheil des Localinspectors über das Lehrpersonal“: „ Lehrer Wolff a. als Familienvater hält keine Zucht und Ordnung mit seinen Kindern, welche an Bosheit u. Ausgelassenheit alle hiesigen Kinder überragen, und geht auf den Ruin des Pfarrers aus, sofern er sich ihm nicht in Allem fügt, ungeachtet der Pfarrer alle und verschiedene Hebel in Bewegung gesetzt hat, Eintracht zu Stande zu bringen.- b.) als Lehrer: widersetzlich u. gehässig gegen seinen Localinspector; eigenmächtig stellte er oft in Schulsachen Untersuchungen an mit Schulkindern, nimmt sie in Verhör und Protokoll; - gegen die Schulkinder ist er zornig, gehässig, partheiisch, ungerecht, mißliebige Kinder sich selbst überlassend, von ihnen gefürchtet u. gehaßt – c.) als Meßner u. Chorregent unwillig, eigenmächtig; als Gemeindeschreiber ….“ etc.

Sein Verhältnis zu seiner Pfarrgemeinde war ebenfalls erkennbar erschüttert, was er unter Punkt 2 „Die Mitglieder der Local-Schulinspection“ wie folgt dokumentiert: „Sind die blinden Werkzeuge des Lehrers Wolff.“ 1869 ist das Verhältnis von Pfarrer Becherer zu seiner Pfarrgemeinde so zerrüttet, dass er mit Pfarrer Franz Anton Bieger, zu dieser Zeit Pfarrer zu Haselbach, Dekanat Mindelheim, auf Anordnung des Bistums, die Pfarrpfründe tauschen muss. Pfarrer Bieger hatte ebenfalls Probleme in seiner Pfarrgemeinde, denn er musste 1869 für zwei Monate in die „Correctionsanstalt“ für Pfarrer nach Dillingen, wegen, wie es in den Akten heißt, „unklerikalen Verhaltens“.

Für Genderkingen war dieser Tausch der Pfarrstellen ein Segen. Pfarrer Bieger blieb von 1869 bis zu seinem Tod im Jahr 1907 in Genderkingen, komponierte in dieser Zeit unermüdlich eine stolze Reihe von Messen, ein Requiem, Vespern und andere kirchliche Gebrauchsmusik, engagierte sich im Sozialwesen des Dorfes, war Mitglied des Männerchores „Harmonie“ in Donauwörth und gründete dort am 24. März 1891 den Orchesterverein, dessen Dirigent und künstlerischer Leiter er bis zu seinem Ableben war. Von seiner musikalischen Ausrichtung her eigentlich ein Spätromantiker, fühlte er sich doch dem Caecilianismus sehr verbunden, wurde mit zahlreichen Kompositionen in die Kataloge des ACV aufgenommen und veröffentlichte seine Werke in den Verlagen Josef Seiling („Generaldepot, Handlung & Leihanstalt für alle im Caecilien-Vereins-Cataloge aufgenommene Musikalien“), Friedrich Pustet (Regensburg, New York, Cincinnati) und Anton Böhm & Sohn (Augsburg, Wien). Die von ihm noch bekannten Werke wurden inzwischen in die „Bayerischen Musiksammlungen“ eingestellt und sind in der Fürstbischöflichen Bibliothek in Regensburg archiviert.

Das örtliche Chorwesen nahm unter Pfarrer Bieger einen spürbaren Aufschwung. Den von Pfarrer Becherer so gescholtenen Lehrer Vinzenz Wolf verstand er hervorragend zu integrieren und beurteilte ihn mit den besten Noten. Da Pfarrer Bieger offensichtlich mehr an der Musik als am Führen von Akten interessiert war, finden sich im Pfarrarchiv Genderkingen von seiner Hand zwar viele, doch nur sehr formale Aufzeichnungen über den Kirchenchor. So schreibt Bieger über die Situation der Kirchenmusik in Genderkingen im Jahre 1883 in seinen Fragepunkten zur Pfarrvisitation: „Die Chormusik ist nach den Normen des Cäzilienvereins geordnet. Volksgesang findet bei außerliturgischen Gottesdiensten statt. Das „Laudate“ wird besonders an Nachmittagsgottesdiensten angewendet.“

Auf den im Pfarrarchiv von Bieger vorgefundenen Autographen und auf den zum Teil aus dieser Zeit im Archiv des Kirchenchores Genderkingen noch vorhandenen Notenmaterial jedoch sind deutliche Bearbeitungsspuren zu sehen. Auch finden sich immer wieder Nachweise über den Kauf von Notenmaterial und anderer Literatur, so z.B. über den Bezug der „Musica sacra“ schon im Jahre 1878, so dass mit Recht geschlossen werden darf, dass Bieger in Genderkingen alle damaligen historischen und zeitgenössischen Sparten der Kirchenmusik gepflegt und angeregt hat. Wie wichtig Bieger die Kirchenmusik in seiner Kirche war, mag auch daran ersehen werden, dass sein erstes Bemühen bei seinem Amtsantritt im Jahre 1869, der Beschaffung einer neuen Steinmeyer-Orgel galt, die noch heute spielfähig ist und sich – bis auf den elektrifizierten Blasbalg – gegenüber damals noch heute unverändert präsentiert. Rechnungen über das „Blasbalgziehen“ liegen als Dokumente zur Zeitgeschichte bis 1921 vor. Der elektropneumatische Gebläseantrieb für die Orgel wurde im Jahr 1949 durch die Fa. Steinmeyer zum Preis von 560,00 DM eingebaut.